„Können jeden Impuls, Anfeuerung, Zuneigung und Liebe von außen gebrauchen”
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Hallo Alf, am 28. Mai jährt sich der Aufstieg in die 2. Bundesliga. Was hat sich in diesem Jahr für dich, aber auch im Verein geändert?
Für mich hat sich natürlich einiges geändert, einfach dadurch, dass ich nicht mehr kicke, sondern ins Marketing gewechselt bin. Von daher habe ich einen ganz anderen Tagesablauf und andere Themen, mit denen ich mich beschäftige. Der Kontakt zur Mannschaft ist immer noch da, aber nicht mehr so wie zu meiner aktiven Zeit. Der Verein ist deutlich an allen Ecken und Enden gewachsen. In der 2. Bundesliga haben wir eine größere Aufmerksamkeit, sind bekannter geworden und das bundesweit. Für den SVWW ist diese Liga eine runde Sache.
Mit etwas Abstand betrachtet: War es die richtige Entscheidung, aufzuhören, wenn es am Schönsten ist?
Klar. Das kann man sich fast nur erträumen, mit so einem Erlebnis aufzuhören. Mein persönliches Projekt, mit dem SV Wehen Wiesbaden in die 2. Bundesliga aufzusteigen, hat perfekt funktioniert. Ich konnte sagen: Jetzt kann ich mich getrost zurückziehen.
Am 28. Juli 2019 hast du das erste Mal ein SVWW-Spiel von der Tribüne angeschaut, anstatt auf dem Platz zu stehen. Wie groß war dein Wunsch, runter zu rennen und dir ein Trikot über zu werfen?
Den Wunsch hatte ich gar nicht. Ich musste schon häufiger ein Spiel von der Tribüne aus anschauen, weil ich Gelb oder Rot gesperrt war. Man muss sich im Vorhinein schon klar darüber sein, was es bedeutet, wenn man die Schuhe an den Nagel hängt. Das ist Vergangenheit und die sollte man dann hinter sich lassen. Ich habe, wie gesagt, immer noch einen guten Draht zum Team. Zum Beispiel hat mich Mocke letztens gefragt, ob ich seinen Computer zusammenschrauben kann, der ihm in Einzelteilen zugeschickt wurde. Wenn du in einer Mannschaft sowas Geiles wie den Aufstieg erlebst, dann brechen diese Kontakte eigentlich nie ab. Dich verbindet eine Geschichte, die du immer wieder gerne erzählst.
Du spielst ja weiterhin Fußball, bei der SG Walluf in der Gruppenliga. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Spielbetrieb bei den hessischen Amateurvereinen nicht wieder aufgenommen wird. Ist die Aktion „Die Westtribüne vereint“ darum umso wichtiger?
Das zeigt leider, dass wir mit unserer Einschätzung nicht so weit weg von der Wahrheit waren. Deswegen bin ich nach wie vor davon überzeugt, dass es der richtige Weg war, die Aktion ins Leben zu rufen. Zum einen, um unsere Verbundenheit zum Amateursport zu zeigen, aber vor allem, um die hessischen Vereine zu unterstützen. Nach einem ziemlich guten Beginn kommen gerade etwas weniger Spenden an, was sicherlich mit der Aufmerksamkeit um den Wiederbeginn der Saison zusammenhängt. Es tröpfelt aber immer wieder etwas in den Topf und ich bin guter Dinge, dass wir „die West“ virtuell gefüllt bekommen. Wir haben auf der gegenüberliegenden Tribüne ein großes Banner angebracht, mit dem wir fernsehrelevant auf die Solidaritätsaktion verweisen, in der Hoffnung, dass der Amateursport nicht in Vergessenheit gerät.
Vor vier Jahren hast du den SVWW mit einem unvergessenen Last-Minute-Treffer die Klasse in der 3. Liga gerettet. Freut es dich oder nervt es mittlerweile, wenn du darauf angesprochen wirst?
Davon kann man nicht genervt sein. Es ist besser, du hast eine Aktion, an die sich jeder noch jahrelang erinnert, als viele und niemand denkt später mehr daran. Diese ganze Konstellation an diesem Spieltag war ja so verrückt, es war eigentlich für den normalen Verstand nicht möglich, dass wir die Klasse noch halten. Sowas gab es noch nie. Es ging ja gar nicht nur um mein Tor, sondern auch um die ganzen Ereignisse davor in den anderen Stadien. Mein Treffer war die Gipfelkreuzbesteigung der ganzen Sache.
Diesmal sind andere Spieler gefordert. Was macht dich zuversichtlich, dass der SVWW auch in der kommenden Saison in der 2. Bundesliga spielt?
Ich glaube fest daran. Ich hatte und habe immer das Gefühl, dass Rüdi es schafft, die Mannschaft weiter zu entwickeln und kontinuierlich besser zu machen. Früher sind wir furios gestartet und uns ging hinten raus die Luft aus. Jetzt ist es so, dass wir durch Umstellungen, neue Systeme oder Spieler etwas Eingewöhnungszeit brauchten. Seit dem 7. Spieltag, dem Knotenplatzer gegen den VfL Osnabrück, liegen wir ganz gut um Rennen. Man sieht in allen Bereichen einen Aufwärtstrend. Ich bin frohen Mutes, dass es wir am Ende schaffen.